Ein Interview mit Andreas Sihler, dem bisherigen Studiengangsmanager und seinem Nachfolger Daniel Dobslaw.
Das Interview fand auf dem legendären grünen Sofa im Fachschaftsraum der Fachgruppe Umweltschutztechnik statt. Die beiden erzählten von persönlichen Werdegängen, Hoch- und Tiefpunkten und vor allem vom Studiengang und seiner Entwicklung.
Das Interview führte Daniel Gerner.
Andreas, wie bist du damals zum Studiengang gekommen?
Andreas Sihler
Also 1990 bin ich an die Uni Stuttgart gekommen zu meiner Diplomarbeit und anschließend habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Bidlingmeier beziehungsweise bei Professor Tabasaran gearbeitet. Professor Tabasaran, Herr Professor Hunken und Leute aus der Politik, wie Herr Professor Laufs, der später auch Dozent war, oder Herr Freiherr vom Lersner, der Präsident vom Umweltbundesamt sowie Minister von Trotha, sie alle haben schon damals, ca. 10 Jahre vorher begonnen, diesen Studiengang zu planen. Ich habe dann 3 Jahre nur Wissenschaft gemacht, bis irgendwann Herr Professor Tabasaran kam und mich fragte, ob ich am Aufbau des Studiengangs Umweltschutztechnik mitmachen wolle. Die Universität Stuttgart hat dann eine sogenannte Senatskommission gebildet, welcher ca. 45 Professoren aus über 40 Instituten angehörten, die den Studiengang aufbauen sollten. Damals wurde ich zum Sekretär dieser Senatskommission ernannt. Diese Senatskommission hatte damals alle Rechte einer Fakultät, außer Promotion und Habilitation. Aber alles andere war wie eine Fakultät organisiert. Ich habe mir damals überlegt, was ich beruflich machen möchte und gedacht, neben meiner Wissenschaft könnte ich das machen, da ich in diesem Bereich gewisse Fähigkeiten habe. Letztendlich war ich die Spinne im Netz, die alle Fäden zusammenhielt und mich alle alles zum Studiengang und den Studierenden fragen konnten. Ich war damals auch für die Finanzen verantwortlich, wir hatten ein extra Finanz- und Stellenbudget aus dem sogenannten Monrepos-Programm. Neben der Senatskommission gab es damals noch die Studienkommission und das Praktikantenamt. Als Sekretär leitete ich von Anfang an die Geschäftsstelle des Studiengangs.
So bin ich damals gleich als junger Mensch mit interessanten Professorinnen und Professoren aus 10 von damals 14 Fakultäten sowie der gesamten Universitätsleitung inkl. Rektorat und Kanzler in Kontakt gekommen. Das war sehr interessant für mich. Zahlreiche Professoren aus renommierten Instituten wie beispielsweise Professor Essers, Kraftfahrzeuginstitut, Professor Voß, Energieinstitut, Prof. Baumbach, Luftreinhalteinstitut sowie die Professoren aus dem Wasserbau, Professor Giesecke und Professor Kobus, Professor Treuner, Raum- und Umweltplanung, Professor Gertis von der Bauphysik und schließlich Professor Tabasaran, Professor Rott, Professor Engesser aus dem ISWA, um nur einige zu nennen. Diese Personen haben alle dazu beigetragen. Von denen ist der Studiengang auch so gepusht worden dadurch ist er so erfolgreich gestartet und hat bis heute Bestand.
Die Industrie hatte damals an die Politik formuliert, dass sie für die immensen Umweltherausforderungen Generalisten mit vertieften Kenntnissen sowohl im Ingenieur- als auch naturwissenschaftlichen Bereichen benötigen. Also Leute, die in Schlüsselpositionen fachübergreifend von Naturwissenschaft, von Ingenieurwissenschaft, von Politik und Recht sowie gesellschaftlichen Dingen eine Ahnung haben. So ist der Studiengang entstanden und ich habe damals zugesagt.
Viele meiner Kolleginnen und Kollegen und andere aus der Professorenschaft haben gesagt: „Das ist dann das Abstellgleis für dich, wenn du wissenschaftlich nicht weiter machst“. Aber der Studiengang hat mich gut durch mein berufliches Leben begleitet und mich ausgefüllt. Und es war für mich als Biologe in der damals schlechten Stellenangebotssituation eine berufliche Chance. Zum Glück habe ichdamals mit dieser Aufgabe eine unbefristete Stelle ergattern können.
Und wann hat man sich entschieden, den Studiengang in der Fakultät 2 anzusiedeln?
Andreas Sihler
Das weiß ich nicht mehr so genau, das war schon ziemlich vor meiner Zeit. Also Herr Professor Tabasaran gehörte ja der Fakultät 2 an und auch Altrektor Professor Hunken, der damals die Universität fast 10 Jahr geleitet hatte. Damit war das irgendwie so gekommen.
Begonnen hat es dann 1993, da haben wir offiziell Werbung gemacht.1994 war der erste Jahrgang mit Studenten, die aus dem Bauingenieurwesen oder anderen Studiengängen, rübergewechselt sind, gestartet. Zum Wintersemester 1993 konnten sie noch nicht in den Studiengang rein, haben sich aber für die Fachrichtung interessiert und konnten dann zum Sommersemester 1994 mit dem Diplomstudium Umweltschutztechnik beginnen.
Davor mussten wir Lehrpläne und die ganzen Studienpläne und die Stundenpläne machen, das war eine große Herausforderung mit all den Beteiligten aus 45 Instituten.
Offiziell warst du Studiengangs-Manager, inoffiziell bist du Onkel Sihler. War das schon immer so, oder wie hat sich dein Status über die Jahre entwickelt?
Andreas Sihler
1993/1994 war ich Anfang 30. Damals war der Altersunterschied zu den Studierenden noch nicht so groß. Vielleicht so 10 Jahre. Ich habe mich mit vielen Studierenden freundschaftlich verbunden gefühlt. Wir sind abends manchmal ein Bierchen trinken gegangen und es war ein ganz gutes Verhältnis. Von Anfang an war das Verhältnis zwischen mir und den Studierenden immer toll, ich habe mich immer für Studierende eingesetzt, ich war immer da, „Tag und Nacht“. Und auf irgendeiner Exkursion kam dann der Begriff irgendwann einmal auf, da haben sie gesagt, ich wäre jetzt der Onkel Sihler.
Also ich habe mich immer so ein bisschen als Papa gefühlt, oder als Onkel, ist ja wurscht. Für mich gab es eigentlich eine Zeit lang nichts anderes, als „meine“ die Studis und den Studiengang. Und ich habe ja viel gemacht: Exkursionen, Unitag und so weiter. Da habe ich meine Kreativität ein bisschen ausgelebt und über die Jahre hin, ein sehr offenes und sympathisches Verhältnis aufbaut.
Daniel, welche Rolle in der Familienaufstellung der Uschis würdest du dir zuschreiben oder wünscht du dir zu erfüllen?
Daniel Dobslaw
Schwer zu sagen. Also ich komme aus meiner Sicht auch super mit den Studierenden aus. Wir sind auch von Anfang an per du, das ist schon was Familiäres. Aber ich glaub den Begriff müssen wir tatsächlich erstmal definieren, der das dann am ehesten treffen würde.
Wie ging es nach der Gründung weiter mit dem Studiengang?
Andreas Sihler
Irgendwie mussten wir den bis dato unbekannten Studiengang Umweltschutztechnik bekannt machen und etablieren. Damals hat ja niemand in Deutschland den Studiengang gekannt und dann hatte ich damals die Idee, eine Werbebroschüre zu machen, mit richtigem Werbekonzept und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei konnte ich meine gute Vernetzung in Stuttgart und der Region nutzen. Mir gelang es damals eine große Summe an Sponsorengeldern bei Daimler, bei Porsche, bei Bosch und vielen weiteren Unternehmen einzuwerben konnte. Da habe ich ziemlich viel Geld ca. 30.000 Mark bekommen. Damit haben wir damals dann die Werbebroschüre, Flyer und die Website mit dem Motto “Die Zukunft findet heute statt” mit Werbeleuten, Textern, Fotografen und anderen umgesetzt. Die Broschüre wurde in 30- oder 40-tausendfacher Auflage in ganz Deutschland an potenzielle Arbeitgeber in der Industrie, der Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen verschickt, um den Boden für die Absolventinnen und Absolventen zu ebnen. Als Symbolfigur zum Brückenschlag an interessierte Schülerinnen und Schüler hatten wir damals eine kleine grüne Playmobilfigur mit orangenem Helm dabei. Unser Gedanke war: wenn dieses PlaymobilMännchen in Deutschland auf jedem Chefetagen-Tisch steht, dann haben wir unsere Mission für die Promotion des Studiengangs erfüllt.
Was hat der Slogan für euch bedeutet?
Andreas Sihler
„Die Zukunft findet heute statt“ fanden wir ein ziemlich gutes Motto, weil man ja die Umweltsache immer in die Zukunft verschoben hatte. Und wir haben gesagt, es findet heute statt. Jetzt müssen wir was tun! Und das sollte das Motto ausdrücken. Damals waren diese tollen Fotos gemacht worden. Wir haben dann die Playmobil Männchen bekommen. Und das war der Sympathieträger damals und ich glaube bis heute noch.
Bis zum Schluss sind Studierende gekommen und haben gesagt, dass das eigentlich der Brückenschlag war, weshalb sie auch nach Stuttgart gekommen sind. Es hat funktioniert. Und dann war der Studiengang deutschlandweit bekannt.
“Die Zukunft findet heute statt” ist dieses Motto immer noch aktuell?
Daniel Dobslaw
Definitiv. Ich habe das Motto jetzt erst wieder für den Studieninformationstag angemeldet. Ich bin überzeugt, dass man mit dem Slogan auch noch in den nächsten 10 bis 20 Jahre werben kann. Insbesondere, weil es ein Langläuferthema ist. Und ich glaube, dass die jetzigen Studienanfänger sicherlich ihr ganzes Berufsleben da noch genug Arbeit hätten und darüber hinaus. Von daher ist die Zukunftsperspektive definitiv vorhanden, der Slogan trifft es daher immer noch sehr gut.
Was war der Ausschlag für dich, Umweltschutztechnik zu studieren, wie bist du dazu gekommen?
Daniel Dobslaw
Bei mir gab es von der Fachschaft ein grünes Heftchen, in dem der Studiengang und das Leben drum herum hier in Stuttgart vorgestellt wurden. Einfach so, wie man sich das als Abizeitung vorstellt. Zeitungsausschnitte irgendwie zusammenkopiert oder in 20 verschiedene Buchstabenformen in einem Artikel kombiniert. Manche wirklich auf ketzerisch dämlich gemacht. Ich weiß noch, da kam so in typischer Manier der Zeitung mit den 4 großen Buchstaben: “Jetzt auch Chlor im Kochsalz” gefunden. Und darunter dann, dass es um Natriumchlorid geht. Da fand ich, die sind nicht so konservativ wie andere Studiengänge, die schau ich mir auf jeden Fall mal an. Damals hat die Deutsche Bahn das Wochenendticket für 5 Mark eingeführt. Später wurde es natürlich teurer. Da bin ich dann mit einem Kumpel von mir los und meine Mutter wollte sich natürlich auch anschauen, wo ich da überhaupt hinwill. Aber natürlich kannte ich Stuttgart überhaupt nicht und mir war bei meinem ersten Besuch überhaupt nicht klar, dass es mehrere Campi gibt. Und ich bin dann in Stadtmitte bei dem Provisorium gelandet und das fand ich sehr hässlich.
Ich hatte noch einen Termin bei der Studienberatung, die war auch damals schon in der Geschwister-Scholl-Straße, bin dann da reingelatscht ganz pünktlich, wer ist nicht da, der allgemeine Studienberater. Es wusste auch keiner, wo der ist. Dann hat irgendeine Kollegin übernommen, die hatte vom Studiengang überhaupt keine Ahnung. Danach bin ich erstmal relativ deprimiert wieder abgereist.
Dann bin ich ins Berufsinformationszentrum, heute der Agentur für Arbeit. Habe noch mal in diese Computer meine Suchworte eingegeben, um zu sehen was da überhaupt kam, denn ich hatte noch Lebensmittelchemie und weniger passend Elektrotechnik als Treffer gehabt. Da habe ich dann noch mal gesucht, mit anderen Begriffen, es kam tatsächlich wieder Umweltschutztechnik raus. Dann habe ich da aus der Regalwand den Ordner mit Umweltschutztechnik rausgezogen, und den wirklich mal komplett durchgelesen und war sehr überzeugt von dem Konzept und habe mich über das Arbeitsamt kundig gemacht, wo es die Umweltschutztechnik denn überhaupt überall gibt. Zu meiner Zeit waren es dann tatsächlich 4 Standorte: Stuttgart, München, Clausthal-Zellerfeld und Berlin. Und ich habe mich dann für Stuttgart entschieden. Und dann habe ich mir von der Uni Unterlagen schicken lassen. Da hieß es dann, es gibt auch noch einen anderen Campus, wo die Ingenieurwissenschaften sind. Ich bin dann zum damaligen Tag der offenen Tür, der war völlig anders aufgezogen als die heutigen.
Da war eher ein kulinarisches Gelage, als ein Informationsgehalt dahinter, aber es gab tatsächlich von der Umweltschutztechnik einen Infostand. Da kam ich dann mit ein paar Leuten ins Gespräch und ich fand super, was die lernen. Dann habe ich auf dieser Basis gesagt, okay hier oben die Häuser, die sehen auch viel besser aus als in der Stadtmitte, das kriegen wir hin.
Wie bist du jetzt 2023 zum Amt des Studiengangsmanager gekommen?
Daniel Dobslaw
Nach meiner Diplomarbeit kam damals Herr Engesser und hat mir das Angebot gemacht, dort eine Doktorarbeit zu machen. Das war nicht die größte Intention von mir gewesen. Aber gut, jetzt mach ich die Doktorarbeit. Titel ist auch nicht schlecht, kann man mal mitnehmen. Aber insbesondere habe ich halt erstmal 3 bis 4 Jahre, in denen ich noch in einem, ich sag mal, semibehütetem Umfeld was lernen kann und dann ist die Welt vielleicht reif für mich. Und gegen Ende der Doktorarbeit hieß es dann, ob ich vielleicht noch was draufsetzen möchte, also eine Habilitation. Ich wollte eigentlich in die Industrie gehen. Dann war damals das Agreement mit Herrn Engesser, dass ich mich um die Finanzierung einer Doktorandenstelle für einen Nachfolger kümmere, da ich mich während meiner eigenen Doktorarbeit wenig um meine eigene Finanzierung kümmern musste. Ich habe gesagt, das klingt nach einem fairen Deal und warb dann schnell ein Projekt ein. Problem war bloß den Nachfolger zu finden. Bei einem öffentlichen Projekt ist es natürlich so, da läuft die Zeit, sobald der Förderbescheid da ist. Also habe ich angefangen das Projekt zu machen. Zur Mitte des Projekts, nach etwa einem Jahr, habe ich dann jemanden gefunden, der da mitgearbeitet hat. Dieser war natürlich erstmal relativ grün hinter den Ohren. Das heißt, nach einem Jahr hätte er es noch nicht auf die Reihe bekommen, alle Aufgaben zu übernehmen. Und weil tatsächlich Geld übrig war, haben wir noch jemand zweites eingestellt und schon hatte ich eine Minigruppe mit 2 Leuten und damit Personalverantwortung. Dann mussten wir schauen, denn die Leute haben mit ihrer Doktorarbeit angefangen, die mussten finanziert werden. Deshalb haben wir das nächste Projekt angeleiert und dann lief das halt immer so hin und her. Es entspricht nicht meinem Stil zu sagen, ich habe jetzt kein Bock mehr, ich gehe jetzt. Sondern ich muss auch schauen, dass die Leute auch ordentlich abschließen können, die ich dazu verleitet habe, an der Uni zu bleiben, um ihre Doktorarbeit zu machen. Für mich lief es deshalb dann Richtung Habilitation. Der Schritt zum außerplanmäßigen Professor ist in Baden-Württemberg dann anschließend nicht mehr die große Herausforderung, da man in einem Zeitraum von 2 Jahren eine gewisse Anzahl an “Papern” als Dokumentation für die eigene Forschungstätigkeit veröffentlichen und gute Bewertungen in eigenen Lehr Veranstaltungen erzielen muss, damit die Gutachten über die eigene Person dann auch positiv ausfallen. So habe ich den halt auch mitgenommen Und erst jetzt, durch die Umstrukturierung am ISWA, hat sich das dann Richtung Studiengangs-Management verschoben, weil sonst hätte ich mir die hauptwissenschaftliche Karriere, auch für die nächsten 20 oder 25 Jahre bis zur Verrentung vorstellen können.
Und was waren während des Studiums deine Lieblingskurse, von welchen hast du am meisten mitgenommen?
Daniel Dobslaw
Oh, das sind zwei unterschiedliche Antworten. Also die Lieblingskurse, das waren aus meiner Sicht Meteorologie und die Übungen in der Geologie, einfach mal diese ganzen Schnitte durch den Boden zu machen. Solche Karten hatte ich vorher schon häufig gesehen, aber nie verstanden und da hat man es wirklich mal von der Pike auf selbst gemacht, das war absolut cool. Während die ganzen technischen Sachen, ich sag mal, von der Vorlesungsseite her damals eher Brechreiz auslösten, weil man mit irgendwelchen Formeln irgendwelche sinnfreien Sachen berechnet. Das hat jetzt weniger Spaß gemacht, das war halt ein Handwerkszeug, das muss man halt machen. In dem Kontext ganz klar die, die Spaß machen, waren Meteorologie, Geologie, auch die Umweltbiologie. Oder chemisch Reaktionstechnik, da bringen mich die meisten Leute auch dafür um, wenn ich sowas sage. Ich habe auch freiwillig dann noch die chemische Reaktionstechnik 2 gemacht, nur zum Spaß, weil ich damit einfach was anfangen konnte.
Was wären deine Lieblingsfächer gewesen, wenn du UMW studiert hättest?
Andreas Sihler
Ganz klar die naturwissenschaftlichen Fächer. Als Biologe war dieser „Hardcore“ -Ingenieurbereich einfach nichts für mich. Deswegen habe ich immer gesagt: “Respekt vor den Studierenden, dass die das geschafft haben“, denn die ganze Mathematik und die technische Mechanik, das wäre im Leben nie für mich machbar gewesen. Da hätte ich mich gar nicht durchbeißen können. Die eine oder andere Vorlesungen haben mich natürlich interessiert. Was ich super spannend fand war Meteorologie und Geologie oder später auch Umweltpolitik und Umweltmanagement, das hat mich eher interessiert. Was mir wahrscheinlich auch gelegen hätte, wenn ich UMW studiert hätte, wäre Umwelt- und Raumplanung, das was Professor Birkmann heute macht.
Was waren bei dir die Fächer die die du nicht so mochtest?
Daniel Dobslaw
Ich würde es jetzt mal ganz einfach an den Noten festmachen, das war eindeutig Verwaltungsrecht. Der Vortragsstil, da kann man nichts sagen. Es waren auch sehr viel praktische Beispiele dabei. Für mich persönlich war diese Prüfung aber absolut demotivierend. Es war auch die einzige Prüfung bei der ich zur Prüfungseinsicht, gegangen bin. Eine Arbeit zurückzubekommen, bei der kein einziges Korrekturzeichen drauf war und einfach nur eine 5 darunter stand. Und dann auf die Rückfrage, warum das so ist, es wortwörtlich hieß: Ich habe hier dreimal den Rand überschritten, das ist dann klar, dass es keine bessere Note sein kann. Von daher habe ich mit dem Fach oder zumindest mit dem Dozenten Schwierigkeiten gehabt. Die Fach-Inhalte braucht man schon als Umweltschutztechniker, das braucht man gar nicht wegdiskutieren, ich habe es in meiner Abluftreinigungsvorlesung teilweise mit drin, also es ist wichtig. Sicherlich nicht so wichtig wie jetzt die Ingenieursausbildung, aber es unterscheidet Umweltschutztechnik letztendlich von anderen Studiengängen.
Was mich in positiver Weise sehr stark beflügelt oder erstaunt hat, war hingegen die Organische Chemie. Die habe ich in der Schule frühestmöglich abgewählt. Die hat an der Uni Spaß gemacht, da sieht man, es hängt halt sehr stark vom Dozenten ab.
Wie sehen Sie die Rolle als Studiengangs Manager?
Andreas Sihler
Vorher habe ich schon die Spinne im Netz als Bild genannt. Aber ich war irgendwie der Ansprechpartner in allen Lebenslagen. Weil das 45 Institute waren, die grundsätzlich gar nichts miteinander zu tun hatten, die aus damals 10 Fakultäten kamen, war ich diejenige Person, bei der alle Informationen zusammenliefen. Alle kamen ihren Problemen, Wünschen und zunächst zu mir. Im Prinzip sind alle Fäden bei mir zusammengelaufen und alle Informationen wurden von mir wieder verteilt. Und natürlich war ich Bindeglied zwischen den Studierenden und der Professorenschaft.
Daniel Dobslaw
Ich würde auch sagen, zentraler Knoten trifft es relativ gut, mit einer moderierenden Perspektive in Zusammenarbeit mit den Lehrenden und den Studenten. Wenn es um die Fragestellung geht, an der Uni irgendetwas zu ändern, dann kommt einem eher so die „Don Quijote und die Windmühlen“ Thematik ins Gedächtnis, weil die Uni eine wirklich große Masse hat und damit eine Trägheit. Bis man hier wirklich was umsetzen kann, braucht es nicht Tage, das braucht Monate. Da muss man genug Durchhaltevermögen haben.
Was waren die größten Errungenschaften die du erreichen konntest?
Andreas Sihler
So einen exotischen Studiengang, so einen interdisziplinären Studiengang, bei dem viele natürlich gesagt haben, die können alles und nichts, dann doch so weit zu etablieren, das war für mich die größte Herausforderung und gleichzeitig Errungenschaft. Und da war vielleicht das Highlight, als wir plötzlich über 300 Studienanfängerinnen und -anfänger hatten. Da sind wir in der Bedeutung an der Uni Stuttgart so nach oben geschossen und waren plötzlich der viertstärkste Studiengang der Uni Stuttgart. Wir hatten damals auch die höchste Frauenquote mit ca. 50%! Leider wurden wir dann von der anschließend eingeführten Aufnahmeprüfung mit den Studierendenzahlen wieder eingebremst. Vor allem die Praktika-Plätze in Chemie und Biologie waren ein Problem geworden. Es waren für die Laborkapazitäten einfach zu viele Studierende. Aber damals war ich natürlich angesichts dieses Erfolges total glücklich, alles hat sich um uns gedreht. Da waren wir „total wichtig“. Wir konnten uns in viele Gremien der Uni Stuttgart und der Strategiekommission einbringen. Ich habe da unheimlich viel bewegen und auch den Studiengang voranbringen können. Ab der Aufnahmeprüfung, als wir dann plötzlich auf 50 runter sind und in den letzten Jahren, sind wir leider immer mehr ins Bedeutungslose abgedriftet. Das hat mir auch wehgetan.
Ich habe eigentlich schon gedacht, dass die Thematik Umwelt wirklich zieht, auch draußen unter den jungen Leuten, dass das ein attraktiver Studiengang ist und dass es da doch genug Leute geben müsste, die das studieren wollen. Natürlich ist man draußen immer noch der Meinung, dass man sich spezialisieren sollte auf dem Gebiet und nicht so generalistisch ausrichten. Aber ich bin selbst ein Generalist und mir wäre der Studiengang zugutegekommen, weil ich sehr breit interessiert bin. Ich dachte, es müsste eigentlich viele junge Leute geben, die sich für diesen interdisziplinären Studiengang interessieren, bei dem man sich erst im Laufe des Studiums auf bestimmte Fachrichtungen orientieren bzw. ausrichten muss.
Was sind die aktuellen Herausforderungen für den Studiengang?
Daniel Dobslaw
Die Anfängerzahl-Problematik ist, denke ich, wirklich die größte Herausforderung, da die Uni letztendlich auch ein Wirtschaftsunternehmen ist. Da wird jeder Kopf eines Studierenden monetarisiert, sodass irgendwann überlegt wird, ob irgendwelches Personal eingespart wird, wenn die Zahlen sinken. Das ist leider so. Und deshalb muss man da auch frühzeitig dagegen ankämpfen. Das versuche ich mit Hilfe der Studierenden zusammen auch zu machen. Die Angebote, die wir jetzt aufgestellt haben, kommen ja gut an, auch wenn sich das noch nicht in den Zahlen widerspiegelt. Aber vielleicht ist da auch die Perspektive eher im kurzen mittelfristigen Bereich als im kurzfristigen Bereich.
Ansonsten ist die Herausforderung jetzt natürlich, allgemein mit den Änderungen bei HM und Thermodynamik neue Prüfungsordnungen zu machen. Fächer, die vielleicht nicht mehr so beliebt sind, rauszuschmeißen und durch sinnvolles Neues zu ersetzen und das Studium somit wieder attraktiv von den Inhalten her zu machen. Auf diese Weise dann wieder Alleinstellungsmerkmale zu generieren.
Was macht die Person Umweltschutztechniker*in aus?
Andreas Sihler
In all den Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele der Umweltschutztechnik Studierenden ganz besondere Menschen sind. Engagiert auch im Privaten oder in der Fachschaft. Für mich war immer schön zu sehen, in welchen unterschiedlichen Fachbereichen und Berufszweigen die Absolventinnen und Absolventen betätigen können. Bei den Vorträgen in den „Kontakt e.V.“-Jahresfeiern wird das immer wieder deutlich. Das hat mir immer wieder gezeigt, dass wir einen guten Studiengang auf den Weg gebracht haben und dass die Leute unglaublich viele Möglichkeiten haben. Das finde ich wirklich bemerkenswert.
Daniel Dobslaw
Aus meiner Sicht zeichnet den Umweltschutztechniker aus, dass er nicht nur linear denkt, sondern auch nach links und rechts über den Tellerrand, also in alle Richtungen denkt.
Ich habe dadurch, dass ich im Wohnheim gewohnt habe, auch heute noch Kontakte zu vielen anderen Studierenden verschiedener technische Disziplinen. Und es ist oft so, dass Ingenieure von klassischen Studiengängen, also Maschinenbau oder Luft- und Raumfahrttechnik, ein sehr stringentes Bild haben und konstruktiv zum Beispiel nur die linke Tragflügelseite machen und da vielleicht auch glücklich sind, über ihr ganzes Lebenswerk hinweg. Aber ich glaube nicht, dass ein Umweltschutztechniker sich darin wiederfinden würde, sondern man sieht das ein wenig globaler; einfach etwas über Weitsicht dem Level der anderen Studiengänge: OK, das ist das Gesamtproblem und jetzt brauche ich diese „Gewerke“, um das Problem zu lösen und wenn ich es nicht selbst tun kann, dann habe ich die Spezialisten, die mich darin unterstützen. Ich denke gerade diese Interaktion, ich nenne es jetzt mal diese Leitung durch den Umweltschutztechniker, die bringt das ganze voran.
Was sind deine Visionen, für die Zukunft des Studiengangs?
Daniel Dobslaw
Die Vision ist auf jeden Fall, einerseits mehr Studienanfänger zu begeistern, dass sie auch diesen Studiengang studieren, am besten natürlich in Stuttgart. Wobei es jetzt auch nicht schlecht sein muss, wenn sie es an anderen Hochschulen machen. Aber in Stuttgart kriegen sie die beste Ausbildung, das ist natürlich klar. Daher ist die Vision meinerseits ganz klar. Weiterhin sehr gute Ausbildung zu liefern und diese möglichst vielen jungen Leuten angedeihen zu lassen. Und dass die Abgänger Positionen erreichen, sei es nun in der Wissenschaft oder der Industrie, in denen sie zukunftsweisende Technologien oder Entwicklungen machen können, die die Welt wirklich voranbringen.
Welcher Moment fällt euch ein, wo ihr dachtet, das ist der coolste Job der Welt. Oder gibt es diesen Moment überhaupt?
Andreas Sihler
Es gab mehrere coole Momente, dass ich mit dem Herr Waldbauer zusammen, die beste Website baden-württembergischer Universitäten und Hochschulen kreiert habe. Dafür haben wir von Minister von Trotha, damals Wissenschaftsminister, 10.000 Mark bekommen, um weiter Werbung machen zu können. Das war eine wirklich schöne Anerkennung unserer Arbeit. Dann die Zusammenarbeit mit den Werbeleuten, um die Broschüre zu machen. Natürlich die ganzen Unitage und Tage der Wissenschaft. Bei einem Tag der Wissenschaft haben wir mit Studierenden zusammen das Thema Umweltschutztechnik künstlerisch umgesetzt. Ein halbes Jahr harte Arbeit wurde durch große Aufmerksamkeit in der Presse und beim Rektor gekrönt. Es gab unter anderen eine mit Biogas betriebene Orgel, ein Gezeitenkraftwerk, ein „Quiet Room“, ein Objekt mit Fassadenbegrünung und ein Aufwindkraftwerke nach dem Prinzip von Professor Schleich. Außerdem gab es Modeschauen von Schülerinnen und Schülern, die Kleider aus Verpackungsabfällen gemacht haben. Also die Dinge, bei denen ich dann meine künstlerisch kreative Seite mit der wissenschaftlichen Seite und dem Studienfach verbinden konnte.
Daniel Dobslaw
Ja gut, ich habe jetzt noch nicht so viel Jahre, auf die ich zurückblicken kann. Aber im Hinblick auf die würde ich sagen, der bisher coolste Augenblick war, als alle einvernehmlich der Meinung waren, dass man die TM 3 aus dem Kernkurskatalog raus verschieben kann.
Was nimmst du mit in die Rente aus der Zeit mit dem Studiengang?
Andreas Sihler
Ganz oben meine vielleicht noch erhaltene Jugendlichkeit, weil die jungen Menschen mir für mein Leben sehr viel Inspiration und Freude gebracht und mich lange in meiner Art jung gehalten haben. Und viele freundschaftliche Beziehungen mit ehemaligen Studierenden, die bis heute nachwirken. Ich bin ewig der Onkel Sihler, glaub ich. Ich freu mich, dass ich diesen Studiengang bis zum Schluss mitgestalten durfte. Und wie gesagt, die Studierenden sind wie meine Kinder. Ich bin sehr zufrieden und sehr froh, dass ich das alles so machen durfte. Und es wäre mir natürlich ein großes Anliegen, wenn der Studiengang noch lange weiterleben würde.
Vielen Dank für eure Eindrücke und eure eingebrachte Zeit. Vielen Dank für das interessante Plaudern und Erzählen. Einfach vielen Dank für euren Beitrag zu unserer Jubiläums-Zeitschrift.